Im Auge des Betrachters

Die hohe Kunst ist nur was für Ästheten
Man sieht es ihnen förmlich an
Sie sind die Meister aller Interpreten
Auf ünstler kommt es gar nicht an.

Alles dreht sich um den Sinn
Beflissen glaubt man ihn zu kennen
Die Eitelkeit kommt nicht umhin
Wollt’ sie nur ihren Namen nennen.

Man findet sich so toll gesprächig
Gestützt von wahrem Kennerblick
Stürzt sich in jegliches Gedränge
Na klar, nur andre haben einen Tick.

Schau mal hier und schau mal dort
Ach Gott, was ist man angetan
Aufgewühlt von Ort zu Ort
Ziehen sie in ihrem Wahn.

Staunend stehen die ”Experten”
Auch vor einem letzten Bild
Aufgehängt von den Gelehrten
Wirkt’s auf sie besonders wild

Welche Schönheit, welche Farben
Niemand möchte da nur gaffen
In Elfenbein und ohne Narben
Gemalt von einem echten Affen.

Entlarvt, enttarnt und aufgeflogen
Zerfällt des Kunstwerks mäßiges Geschick
Beschämt und von sich selbst betrogen
Erhält das Auge einen Knick.

(Wolfgang Jacobs, 2003)

Assoziation

Mir schwante das NICHTS.
Es erlaubte sich
herüberzuschauen aus dem Überfluss
und zu sein, was es ist:
NICHTS -
Wenn aus dem NICHTS
nun ETWAS würde,
dann wäre es gleichwohl NICHTS
als verkörpertes ETWAS.
So wären NICHTS und ETWAS identisch
und es wäre bewiesen,
dass NICHTS als ETWAS weiterhin
NICHTS
ist.

(Jacobs, 2010)

Weiß wie Schnee…

Du trägst die Unschuld in dir
und den Schnee.
Bist hart nach außen
und tust mir weh.

Du trägst die Liebe in dir
und kein Wort.
Lässt mich nichts spüren
und gehst fort.

Du trägst mein Leben in dir
und Blut so rot,
warst Glück für mich -
mein Herz ist tot.

(Jacobs, 2010)

 

 

In Memoriam

Ich ging an einen Ort,
an dem man die Liebe
zu Grabe trägt -
wo auch die unsre ruht,
die wir hatten - 
in einer kleinen, windigen Ecke,
in der Bäume lichtem Schatten.

Ein schlichter Stein.
Darauf steht:
„In Memoriam“ und
„Amen“. –
Vielleicht währt Liebe ewiglich,
von daher keine Namen.

Ich geh davon
und weiß, was ich verloren habe.
Im Staube ruhet das Gebein. –
In meiner Seele Sein
Bleibt die Erinnerung.

(Jacobs, 2010)

Keine Zweifel

Sag mir noch schnell,
wie sehr du mich liebst
oder gibt es einen andren,
dem du all deine Liebe gibst?

Nein, lass mich träumen von dir,
dein Bild in mir bewahren.
Hab keine Zweifel mehr in mir:
Ich liebe dich seit Jahren.

(Jacobs, 2010)

 

 

Lauf der Dinge

Das Blatt,
was hoch oben in des Baumes Wipfel
den Himmel offen,
Sonne und Gestirne sah,was mit dem Morgenwinde spielte
und im Hauch des Abends schlief,
was den Puls, den Klang der Zeit vernahm
und selbst Saite einer Harfe war,
was Tau und Regen auf sich spürte
und im feuchten Nebel sich nach Wärme sehnte,
was sich in zarte Blütendüfte schmiegte
und schwebte auf des Sommers Überfluss,
was aus der Kraft der Erde spross

fiel zurück in deren Schoß.
Braun, welk und morsch bietet es noch kleinren Wesen Schutz.

(Jacobs, 2010)

Wer bin ich?

Bin weder schräg,
noch bin ich Vogel,
möcht‘ der Welt doch zeigen,
wer ich bin!

Vielleicht Alices Gog(g)elmog(g)el?
Dada oder gaga – doch ...
nicht ohne Sinn.

(Jacobs, 2010)

 

Annäherung

Sah sie schon vom Ufer drüben
langgestreckt, sich räkelnd, liegen
ahn Proportionen rank und schlank
sowie Konturen hell und blank
verhüllt im Dunst noch Hügel und Buchten
noch unergründlich ihre Schluchten
aufgeweckt, durch der Sonne Licht
vernehm ich, wie sie zu mir spricht
ihr Geflüster säuselnd und zart
auch grobe Worte, donnernd und hart
an ihre Gestade, sanft und zerbrechlich
rollen die Wogen, dunkel und mächtig
flieg ich heran auf der Liebe Schwingen
fängt sie mich in vielfachen Schlingen
offen und freundlich ihr Angesicht
sonst gut gebaut, einladend und licht
in ihren kuschligen Ecken
gibt es Geheimes zu entdecken
dort, wo im Wind die Gräser tuscheln
glänzen feucht ihre bunten Muscheln
Möchte‘ ewig in ihrer Nähe verweilen
Glücksmomente mit ihr teilen

Doch ...
Alt ist der Wunsch, so alt wie die Insel
und wird alsbald zum Hirngerinnsel.

(Jacobs 2005)

Als die Touristen

Als die Touristen
unter den Stegen
Zuflucht suchten, wegen Regen
(Die Buche suche, 
           der Eiche weiche!)

Erschien auf meiner Schwelle
ein Falter, leicht und helle.

Ach, du hehre Lichtgestalt
hätte ich dich doch gemalt.

Dich gefangen und gerupft
mit dem Pinsel abgetupft.

Dich betört mit süßen Düften
umschlungen deine schlanken Hüften.

Dich vorsichtig in zarter Hand
mitgenommen an den Strand.

Im Sternenzelt der klaren Nacht
hätt‘ ich nicht bloß an dich gedacht.

Und all die vielen Möglichkeiten
die zahlreichen Wege, sie zu beschreiten

führten fort aus luftigen Höhn
würden auf der Erde bestehn.

...
Als die Touristen
unter den Stegen
Zuflucht suchten, wegen Regen

erkannte ich ganz intensiv:
MICH REGIERT DER KONJUNKTIV!

(Jacobs 2005)

Strandkorb Nummer 108

Abgemacht war heut um sieben
Strandkorb Nummer 108
wollt dich sehen, wollt dich lieben
doch du hast nur leis gelacht.

Was für mich feststand
wir treffen uns am Weststrand.

Sehe schon den Korb am Strande
streb drauf zu mit voller Lust
sehe Füße dort im Sande –
doch die Sache wird zum Frust.

Richtig war die Zeit, die Nummer
falsch dagegen war der Strand
dies zu meinem größten Kummer –
wie ich fand.

(Jacobs 2005)

Neulich, mittags im Café

Neulich, mittags im Café
wollt mich ausruhn, mich entspannen
rückt ein Paar in meine Näh
bestellte sich zwei Bier von Hannen.

Im Schlepptau einen halben Zoo
drei Hunde waren es genau
Cäsar, Pluto, Limpopo
und er Sohn, der hieß Girbau.

„Geb’n se mal den Frühstückszettel“
weit vernehmbar das Organ
„He, die Alte neigt zur Vettel“
schreit er laut, ganz ohne Scham.

Die Bestellung ist gemacht
rundherum weiß man Bescheid
Lachen, bis die Schwarte kracht
einge sind es jetzt schon leid.

Ein Bekannter kommt vorbei
„Oh, hallo, wo geht’s denn hin?“ –
„In die Sauna, dann zu ‚Kai‘“
jeder ahnt, da ist man in.

Und die Sache wird noch besser
grobe Späße sind jetzt dran
eilig klappern schon die Messer
„Da fängt der Abend richtig an!“

Schrilles Tönen, schräges Johlen
viele Gäste sind verzagt
Haus und Boot wird nun empfohlen
daneben noch ne Großwildjagd.

Exakt und auf den Punkt genau
wird das Vermögen aufgetischt
selbst die Klunkern seiner Frau
spiegelt des Meeres weiße Gischt.

Morgens schon den Abend planen
um zu wissen, wo man sitzt
Girbau denkt dabei an Julianen
das ist für ihn bereits geritzt.

Endlich: „Fräulein, bitte zahlen!“
die Reaktion nicht gerade froh
es windet sich gekonnt in Qualen
vor dem Klaps auf ihren Po.

Alle fragen sich betroffen:
Wer der Esel, wo die Kuh?
Ausgebreitet, blank und offen
im großen Buch des ‚Who is who?‘

(Jacobs 2005)

Kaiserwetter

Kaiserwetter ... an den Strand!
Opa wird fast umgerannt
Roller, Räder, Karren schnappen
und die Fahne mit dem Wappen
voll bepackt mit leisem Fluchen
im Abschnitt neun den Strandkorb suchen
schließlich ist es dann geschafft
im Sand zu laufen kostet Kraft
viel Gewusel und Gewimmel
unter strahlend blauem Himmel
alle Größen alle Formen
Menschen sind halt nicht zu normen
da ein’ge auf dem Handtuch ruhn
gibt’s für andre was zu tun
joggen, traben, nordic walken
und dabei mit andren talken
Volleyball und Fußball spielen
derweil nach den Brüsten schielen
schwimmen, surfen, wellenreiten
Drachen in die Lüfte leiten
mit den Kindern Burgen bauen
Bücher lesen, Zeitschrift schauen
Haut eincremen für die Sonne
gegenüber schwitzt ne Nonne
Muscheln sammeln für zu Hause
mancher gönnt sich eine Pause
Punkt zwölf geht’s dann ins Café
drüben auf der Dünen Höh
Pommes essen, Cola trinken
gelegentlich Bekannten winken
nachmittags bleibt’s ebenso
die Kinder haben Sand im Po
darum wird noch schnell geduscht
bevor man dann nach Hause huscht
Eitel Freude weit und breit –
Oh, du schöne Urlaubszeit!

(Jacobs 2005)